Eine frisch gebackene Mutter spielt mit Ihrem Kind auf der Wickelkommode im Kinderzimmer.

Die Stimmung ist entspannt, Mutter und Kind sind im Baby Dialog ganz bei sich. Zufriedene Gurr Laute beim Kind und sofortige Antworten in leicht erhöhter Tonlage durch die Mutter prägen das Bild. Das Baby fühlt sich wahrgenommen und optimal gespiegelt. Das Gefühl, „ich bin gut so wie ich bin, mein Gegenüber, meine Mutter, bestätigt es mir mit jeder ihrer Äußerungen“ ist fast mit Händen zu greifen. Auf diese Weise werden im Gehirn des Neugeborene Tausende von neuen Synapsen (Nervenverbindungen) gebaut, die das spätere Lernen und Können im guten Zutrauen zu sich selbst ermöglichen.

Jetzt kommt das für das Kind Unvorhersehbare:  am Arm der Mutter vibriert eine Smartwatch, die Mutter wendet den Blick sofort ab, liest die Nachricht, antwortet vielleicht indem sie auf der Uhr herum tippt.

Was passiert beim Kind: es erstarrt sofort, die Augen werden schreckhaft aufgerissen, die Herzfrequenz steigt die Atmung geht stoßweise, es hat ganz offensichtlich Stress. Der Grund ist, dass das bisher liebevolle Mutter Gesicht sich abgewendet hat…

Der Kinder- und Jugendmediziner Brazelton untersuchte die Mutter/Vater Kind Beziehung in diesem Punkt. Das bekannteste der dabei entwickelten Experimente ist das Still-face-Experiment. Dabei wird eine liebevolle Kontaktsituation von Angesicht zu Angesicht zwischen Bezugsperson und Kind für eine kleine Weile unterbrochen. Die Mutter wendet sich ab und zeigt dem Kind dann ein versteinertes, ausdruckloses Gesicht. Das Kind reagiert darauf in verschiedenen Phasen: zunächst versucht es mit verschiedensten Methoden wieder die Aufmerksamkeit der Mutter zu bekommen, schließlich reagiert es mit körperlichem und emotionalem Rückzug. Diese Situation simuliert Interaktionen depressiver Mütter oder aus anderen Gründen unsicher gebundener, nicht ausreichend feinfühliger Mütter. Langfristig können derartige Abbrüche, Vernachlässigungen und Misshandlungen zu Kontaktstörungen und tieferen psychischen Störungen.

Was als krankhafte Störung schon seit vielen Jahren bekannt ist bekommt jetzt einen neuen Stellenwert bei psychisch gesunden Müttern.

Die elterliche Interaktion mit digitalen Devices jeglicher Art während der Arbeit mit Kindern erscheint in hohem Maße gefährlich für deren gesundes Aufwachsen. Der immer wieder auftretende emotionale Stress führt dazu, dass sich die Nervenverbindungen nicht stabil aufbauen, das Selbstwertgefühl vulnerabel bleibt und Lern- und Arbeitsleistungen weit hinter den genetisch terminierten Möglichkeiten zurückbleiben.

Daher appellieren Kinderärzte dringend ungeteilte Aufmerksamkeit den Kindern zu widmen ohne sich von eintrudelnden Nachrichten ablenken zu lassen.

Dr.med. Agathe Traut                                                                                                             Schweich 1.1.2025